Zwischen den alten historischen Städten Brandenburg und Havelberg liegt ein landschaftlich reizvoller und gewässerreicher Naturraum. Die Havel prägte diese einmalige Landschaft und ist auch heute der wertbestimmende Fluss in dieser Region. Diese Naturschönheit auch für die nächsten Generationen zu erhalten, sollte den Bewohnern und Besuchern dieser Region ein innerstes Anliegen sein. Für den Naturpark Westhavelland in Brandenburg und für das Biosphärenreservat Mittlere Elbe in Sachsen-Anhalt ist der Erhalt und der Schutz dieses Naturparadieses mit seiner Artenvielfalt ein Schwerpunkt ihrer Arbeit.
In der Havel kreucht und fleucht das Leben: Von Kleinstlebewesen über Muscheln, Krebsen, Insekten und Fischen bis hin zu Fischottern und Vögeln ist vieles vertreten, was Beine, Fühler oder Flossen hat. Eingebettet ist das Leben im Fluss in die großen, natürlichen Überschwemmungsflächen der Flussauen, die an anderen Flüssen kaum noch anzutreffen sind. Dadurch ist die Havelniederung ein wichtiges Rückzugsgebiet für seltene Tier- und Pflanzenarten, deren Lebensräume vom Verschwinden bedroht sind.
Die Feucht- und Auenwiesen in der Unteren Havelniederung sind von Herbst bis Frühjahr oft überschwemmt. Dann gleicht die Niederung einem Meer. Während dieser Zeit wimmelt es hier von Vögeln bei der Nahrungssuche und bei der Rast auf dem Vogelzug. Im Frühjahr nutzen die Fische das flache, frühzeitig erwärmte Wasser der Überschwemmungsflächen um zu laichen. Wasserflöhe, die sich dort massenhaft vermehren, bieten der Fischbrut und den Jungfischen reichlich Nahrung. Sinkt das Wasser, kehren die Jungfische in den Fluss zurück.
Das Pflanzenwachstum hat dann schon begonnen und die Wiesen zeigen sich in den schönsten Farben. Im April beginnen die sattgelb blühenden Sumpfdotterblumen, dann folgen die weißen Teppiche des Wiesenschaumkrautes und später der wieder gelb blühende Hahnenfuß mit ausgedehnten roten Fluren der Kuckuckslichtnelke. In den Sommermonaten werden Schmetterlinge und andere Insekten von der Blütenpracht auf den Wiesen angezogen.
Die Baumbestände entlang des Flusses sind Überreste des Auwaldes, der an der Havel fast völlig verschwunden ist. Heute ist die Silberweide ein häufig vorkommender Baum aber auch Eiche und Schwarzerle wachsen am Fluss. Die Bäume werden gern von Greifvögeln für den Bau ihrer Nester (Brutplatz) genutzt. Sie reagieren besonders empfindlich auf längere Störungen im unmittelbaren Bereich ihres Brutplatzes. Oft verlassen sie ihn dann und geben ihre Brut auf.
Das Röhricht oder Schilf wächst in flachen Bereichen im Übergang zwischen Land und Wasser. Die schilfbewachsenen Uferzonen sind Schutz und Tarnung für Vögel, das ruhigere, warme Wasser birgt die Kinderstube von Fischen, Amphibien und Libellen. Werden die Tiere in diesen Ruhebereichen zum Beispiel durch häufigen Wellenschlag oder zu dichtes heranfahren gestört, weichen sie aus oder flüchten und der Nachwuchs wird weniger.
Im Frühjahr und Herbst rasten beeindruckende Schwärme von Zugvögeln auf ihrem Weg in die Winter- oder Sommerquartiere in der Havelniederung, als Teil eines großen, länderübergreifenden Feuchtgebietes. Die Vögel legen beim Zug oft Tausende von Kilometern zurück, und manche fliegen tagelang ohne Unterbrechung. Um diese kräftezehrenden Wanderungen zu überstehen, brauchen sie geeignete Orte, an denen sie sich nicht nur ausruhen können, sondern auch genug zu fressen finden. Die Havelniederung ist ein solcher Rastplatz – bis zu 100.000 Zugvögel machen hier Zwischenstopp, darunter Gänse, Enten, Kraniche, Schwäne, viele Watvögel, aber auch Singvögel. Die Seen und flach überfluteten Wiesen sind ideale und sichere Schlafplätze für Wasservögel. In den Schilfgürteln der Gewässer schlafen unüberschaubare Schwärme von Schwalben und Staren. Auf den abgeernteten Feldern, überfluteten Flächen und schlammigen Wiesen ist der Tisch für die Vögel reich gedeckt. Wenn sie Kraft getankt haben, fliegen sie weiter oder überwintern in der Havelniederung.